3. Konfessionelle Gliederung. Deutsches Schulwesen und jugoslawische Kulturpolitik.

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Von der deutschen Bevölkerung Jugoslawiens bekannten sich 1931 383 674 Personen zur katholischen Kirche und 100 806 zu protestantischen Kirchcngemeiuschaften, die übrigen zu anderen Konfessionen 1 . Der größte Teil der Protestanten gehörte dem evangelisch-lutherischen Bekenntnis an und konstituierte sich auf Grund des Gesetzes vom 17. 4. 1930 zur "Deutschen Evangelischen Christlichen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses im Königreiche Jugoslawien"' unter einem Bischof mit dem Sitz in Agram. Bis zum Zusauimenbruch Jugoslawiens stand ihr der aus Bezanija bei Franztal stammende Bischof Philipp Popp 2 vor, der nach 1945 zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde; weltlicher Kirchenpräsident war Dr. Wilhelm Roth aus Groß-Kikinda. Die stärkste Verbreitung besaß das evangelische Glaubensbekenntnis in der Batschka. dem Banat, in Bosnien und Slawonien, wo evangelische Deutsche unter Joseph II., und dann wieder nach der Aufhebung des Einwanderungsverbotes für Protestanten von 1859 fast ausschließlich in geschlossenen Gemeinden angesiedelt worden waren. Die deutsche Kirchensprache bildete eine wesentliche Stütze für die Erhaltung des Volkstums, gefördert durch die Ausbildung der Geistlichen auf deutschen Hochschulen. Die eigene Verfassung der Deutschen Evangelischen Kirche A. B. vom 20. 12. 1930 sicherte ihren deutschen Charakter.

Größere Schwierigkeiten, die deutsche Kirchensprache und ihr Volkstum zu erhalten, hatten die deutschen evangelisch-reformierten Gemeinden, die vorwiegend in der Batschka lagen. Sie gehörten der "Reformierten Christlichen Kirche Südslawiens" an, in der das Madjarentum das Übergewicht besaß. Der madjarische Einfluß wurde durch den Zusammenschluß der deutschen Gemeinden zu einem eigenen Seniorat in Neuwerbaß am Anfang der 30er Jahre eingeschränkt 3 .


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Für die deutsche katholische Bevölkerung wurden durch die Eingliederung der ehemals südungarischen Gebiete Jugoslawiens kirchenpolitisch und -organisatorisch schwierige Probleme aufgeworfen 4 . Das Banat, das zur Tschanader Diözese (Temeschburg) gehört hatte, wurde 1923 zur Apostolischen Administratur erklärt, ebenso wie die früher zum ungarischen Bistum Kalosza gehörende Batschka. Während die deutschen Katholiken innerhalb des Banater Administraturbezirks eine schwache Mehrheit besaßen, überwog in der Batschka das madjarische und slawische Element. Die Pfarrer in den deutschen Mehrheitsgemeinden entstammten dem einheimischen Volkstum, doch sowohl im Banat und in der Batschka, als auch in der Baranja und in Syrmien, die zum Bistum Djakovo gehörten, nahmen vor allem die älteren Geistlichen in den volkspolitischen Fragen eine indifferente Haltung ein. Dies war eine Folge der konsequenten Madjarisierungspolitik der vergangenen Jahrzehnte, die alle im Bereich der Stephanskrone lebenden Nationalitäten unter Führung der madjarischen Kultur und Sprache zu vereinheitlichen und ihre Ziele durch das madjarisierte Schulwesen, aber auch durch die kirchlichen Institutionen zu erreichen suchte. Daraus ergab sich ein kultureller und geistiger Abstand zwischen dem auf madjarischen oder kroatischen Hochschulen und Priesterseminaren ausgebildeten Klerus und der deutschsprechenden Bevölkerung, der sich z. T. auch nachteilig auf das religiöse Leben in den einzelnen Gemeinden auswirkte 5 . Erschwerend trat hinzu, daß sich Klerus und Gläubige der aus den bisherigen staatlichen und kirchenorganisatorischen Bindungen gerissenen Gebiete einer neuen, lange ungeklärten kirchenpolitischen Situation gegenübersahen. Dazu kamen nationalkirchliche Tendenzen und Kroatisierungsbestrebungen, denen das katholische Deutschtum ausgesetzt war 6 . Die auch gegen kirchlichen Grundbesitz rigoros durchgeführte Agrarreform entzog zahlreichen Kirchengemeinden und kirchlichen Institutionen den wirtschaftlichen Rückhalt 7 . Die Vereinstätigkeit im kirchlichen und sozialen Bereich wurde durch die jugoslawischen Behörden behindert, was von den deutschen Gemeinden als ungerechtfertigte und unbegründete Maßnahme empfunden


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wurde 8 . Als Ausbildungsstätten der katholischen Geistlichen standen nur kroatische Anstalten in Djakovo, Sarajevo und Split, sowie das Priester-Seminar in Agram zur Verfügung 9 . Nur wenige Geistliche, z. B. Ende der 20er Jahre acht aus dem Banat, hatten die Möglichkeit, an deutschen Hochschulen zu studieren. Dennoch wurde die Haltung der deutschstämmigen katholischen Geistlichen vor allem in der jüngeren Generation zunehmend volksbewußter; eine aktive Mitarbeit an der Pflege und Erhaltung des Volkstums zeigte sich allerdings erst in späteren Jahren, dann vielfach als Gegenbewegung gegen die Bestrebungen der "Erneuerer" und den Einfluß nationalsozialistischer Ideen auf die Volksgruppenorganisation der Vorkriegsjahre. Die jahrelange Zurückhaltung und das Mißtrauen der katholischen Geistlichkeit gegenüber der zentralisierten Volkstumsarbeit des "Schwäbisch-Deutschen Kulturbundes", in dem sie protestantisierende Tendenzen wahrzunehmen glaubte, hat sie in eine gewisse Isolierung gegenüber der Volkstumsbewegung geführt, aus der sie sich erst in den letzten Jahren vor der Vertreibung zu lösen begann. Nur in der Gottschee betätigte sich der Klerus aktiv in den volkspolitischen Institutionen dieser Siedlungsgruppe. Spannungen zwischen ihm und den Volkstumsorganisationen traten dort kaum auf 10 .

Mit Ausnahme von Slowenien, das ehemals zur österreichischen Reichshälfte gehört und beim Übergang dieses Gebietes an Jugoslawien über eine hochentwickelte deutsche Schulorganisation mit Kindergärten, Volks-, Mittel-und Fachschulen, Lehrerseminaren und Privatschulen verfügt hatte, konnte in den anderen Gebieten von einem ausgebauten deutschen Schulwesen kaum die Rede sein. Im Zug der vor dem Ersten Weltkrieg konsequent betriebenen Madjarisierungspolitik war in den südungarischen deutschen Siedlungsgebieten das seit der Ansiedlung bestehende deutsche Schulwesen aufgelöst worden. Nur eine Anzahl konfessioneller Volksschulen, vorwiegend in den evangelischen Gemeinden, blieb erhalten. Das gleiche traf auch für die deutschen Siedlungen in Kroatien zu, wo die autonome kroatische Schulgesetzgebung zwar von der Tendenz nicht frei war, die Andersnationalen zu assimilieren, aber die deutschen Schulen nicht ganz unterdrückte.

Gegenüber diesen in den einzelnen Gebieten verschiedenen Schulverhältnissen war die Schulpolitik der neuen jugoslawischen Behörden keineswegs einheitlich 11 . In der Wojwodina wurde von den Behörden, bald nach der


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Besetzung dieses Gebietes durch serbische Truppen die Umwandlung aller von deutschen Kindern besuchten Schulen in deutsche gefördert; an den früher deutschen Gymnasien in Neuwerbaß und Werschetz wurde wieder die deutsche Unterrichtssprache eingeführt, in Hatzfeld die Errichtung eines deutschen Realgymnasiums gestattet 12 . Vertreter der Volksgruppe konnten mit den zuständigen Behörden über die Berufung geeigneter deutscher Lehrer aus Österreich und Deutschland verhandeln, um den großen Lehrermangel zu beheben 13 . Dieses im Vergleich zu den anderen Siedlungsgebieten ungewöhnliche Entgegenkommen der jugoslawischen Behörden entsprang weniger dem Willen, die berechtigten Wünsche der Deutschen auf kulturellem Gebiet zu befriedigen, als vielmehr der Absicht, die Gefahr einer madjarischen Irredentabewegung im nördlichen Grenzgebiet zu bannen und die deutsche Minorität für die eigenen politischen Ziele und Gebietsansprüche zu gewinnen 14 .

Während in Kroatien und Slawonien die Zustände unverändert blieben, setzte in Slowenien sofort nach der Beseitigung der österreichischen Verwaltung eine vor Willkürmaßnahmen nicht zurückschreckende Kampagne gegen das deutsche Element ein. Binnen kurzem wurde die gut ausgebaute deutsche Schulorganisation zerstört. Selbst private Anstalten gingen in slowenischen Besitz über 15 . Das Deutschtum hatte in Slowenien fast alle seine Schulen verloren, noch bevor durch die Verordnung des Unterrichtsministers Pribićević vom Sommer 1922 das gesamte Schulwesen in Jugo-


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slawien verstaatlicht wurde 16 . Von nun ab gab es nur noch serbische, kroatische und slowenische Schulen, an denen für die Minderheiten auf Antrag der Erziehungsberechtigten von mindestens 30 Kindern Parallelabteilungen errichtet werden sollten. Doch selbst die Errichtung dieser Klassen suchten die Behörden vor allem mit dem Mittel der fragwürdigen Namensanalyse zu unterdrücken, derzufolge entgegen dem Wunsch der Erziehungsberechtigten die Kinder mit slawischen Namen, oft auch dann, wenn nur ein Großelternteil einen slawischen Namen trug, zum deutschen Unterricht nicht zugelassen und den slawischen Schulen zugewiesen wurden 17 . Obwohl nach wiederholten Protesten der deutschen Abgeordneten dieser Erlaß zunächst für die Wojwodina und später auch für Slowenien aufgehoben wurde, hielten die subalternen Behörden vor allem in Slowenien und Slawonien-Kroatien ihre Praxis aufrecht 18 . Nicht minder nachteilig für die Schulbildung erwies sich der für die Parallelklassen angeordnete Lehrplan: nach ihm wurde die Staatssprache bereits vom 1. Schuljahr ab gelehrt und rückte nach dem 4. Schuljahr zur Unterrichtssprache auf. Außerdem wurde nach der Verstaatlichung der Schulen die Übernahme der Lehrer in den Staatsdienst davon abhängig gemacht, daß sie eine Sprachprüfung in der Staatssprache innerhalb eines kurzen Zeitraumes ablegten. Zahlreiche deutschstämmige Lehrer wurden in den Ruhestand oder an andersnationale Schulen versetzt. Durch alle diese Maßnahmen vergrößerte sich der ohnehin beträchtliche Lehrermangel für die deutschen Parallelklassen. Serbische oder kroatische und slowenische Lehrkräfte, die oft die deutsche Sprache nur mangelhaft beherrschten, wurden für den Unterricht der deutschen Kinder herangezogen 19 .

Die schulpolitische Situation der deutschen Minderheit wurde noch dadurch verschlechtert, daß bis zum Jahre 1929 - mit Ausnahme von Altserbien - eine gesicherte Rechtsordnung des Schulwesens fehlte und dieses


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ausschließlich auf ministeriellen Verordnungen beruhte. Diese waren nicht selten von parteipolitischen und persönlichen Erwägungen beherrscht. Zugeständnisse des einen Ministers, die oft erst nach mühsamen Verhandlungen durch die Abgeordneten oder kulturpolitischen Organisationen der Minderheit erwirkt worden waren, wurden von anderen wieder aufgehoben. Von einem Schulrecht der deutschen Minderheit konnte unter diesen Bedingungen genau so wenig die Rede sein wie von dem einer anderen Minorität.

Erst nachdem das Volksschulwesen durch das Gesetz über die Volksschulen vom 5. 12. 1929 20 gesetzlich geregelt war, konnten auf Grund von vier Verordnungen des Unterrichtsministeriums vom 1. 9. 1930 21 , 14. 2. 193l 22 , 24. l. 23 und 3. 4. 1933 24 , welche die Vertreter der deutschen Minderheit nach langwierigen Verhandlungen erzielten, die Voraussetzungen für den Aufbau eines deutschen Volksschulunterrichts geschaffen werden. Damit waren die im Minderheitenschut/vertrag vom 10. 9. 1919 25 garantierten


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nationalkulturellen Redite wenigstens teilweise in die schulpolitische Praxis umgesetzt. Durch diese Verordnungen wurde die Namensanalyse verboten, die Berücksichtigung der Familiensprache vorgeschrieben, das Deutsche in den ersten vier Klassen als Unterrichtssprache belassen und nur vier Stunden Unterweisung in der Staatssprache vom 3. Schuljahr ab vorgeschrieben. In der 5. und 6. Klasse mußten zusätzlich die sogenannten nationalen Fächer, Geschichte und Geographie, in serbokroatischer Sprache gelehrt werden. Das vertrug sich nicht mit den Vorschriften des § 45 des Volksschulgesetzes, in dem festgesetzt worden war, daß "der Unterricht... in der Muttersprache der Schüler erteilt" werden müsse. Ebensowenig ließ sich der Fortfall des deutschen Unterrichts im 7. und 8. Schuljahr und die Tatsache, daß noch immer Kinder aus Mischehen, deren Väter südslawischer Nationalität waren, allein in Schulen mit staatlicher Unterrichtssprache eingeschrieben wurden, mit dem Minderheitenschutzgesetz vereinbaren; denn seine Artikel 8 und 9 garantierten den Angehörigen der verschiedenen, nicht zu den drei Staatsvölkern gerechneten Nationalitäten den freien Gebrauch ihrer Muttersprache im Unterrichtswesen 26 .

Im Rahmen dieser im ganzen jedoch nicht ungünstigen Ordnung des Volksschulwesens gelang es, die Zahl der deutschen Parallelabteilungen an den Volksschulen zu erhöhen. Dem Lehrermangel wurde durch die Errichtung einer privaten deutschen Lehrerbildungsanstalt in Groß-Betschkerek im Oktober 1931, die im Herbst 1933 nach Neuwerbaß verlegt wurde, abgeholfen 27 . Zugleich genehmigte die Verordnung vom 1. 9. 1930 die Errichtung von privaten deutschen Kindergärten und die Organisation von Analphabctenkursen. Um alle diese privaten Anstalten zu unterhalten, gründeten die Kultur- und Wirtschaftsorganisationen der deutschen Minderheit im Jahre 1931 die "Schulstiftung der Deutschen des Königreichs Jugoslawien", die allerdings erst 1933 von Unterrichtsminister


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R. Stanković genehmigt wurde 28 . Sie übernahm den Hauptanteil an der Finanzierung der privaten deutschen Schulen und der übrigen kulturellen Einrichtungen und erhielt sich durch Beiträge der gesamten Minderheit. Damit - waren wesentliche Fortschritte erzielt, sogar von der Bestimmung des jugoslawischen Gesetzes über die Lehrerausbildung vom 27. 9. 1929, die die Eröffnung privater Lehrerbildungsanstalten verbot 29 , wurde zugunsten der deutschen Minderheit eine Ausnahme gemacht. Überhaupt konsolodierte sich zu Beginn der 30er Jahre auf kulturpolitischem Gebiet die Lage der Volksgruppe, wenn auch weiterhin die Schulfrage die volle Aufmerksamkeit der politischen Repräsentanten der deutschen Volksgruppe erforderte. Bezeichnenderweise wurden Zugeständnisse im Schulwegen meist erst durch Wahlabsprachen und den Beitritt der deutschen Abgeordneten zur Regierungspartei ermöglicht 30 . Dadurch konnte der Rückhalt bei der Belgrader Zentralregierung verstärkt werden; gelegentlichen Willkürmaßnahmen und Schikanen der lokalen und regionale? Behörden konnte nicht zuletzt aus außenpolitischen und wirtschaftlichen Rücksichten auf das Deutsche Reich die Spitze abgebrochen werden. Wenn sich so die Lage im Schulwesen ganz beträchtlich verbesserte, so ist es doch nicht gelungen, die prinzipielle Spannung zwischen dem großserbischen Unifizierunswillen im jungen südslawischen Staat und den selbstbewußter vertretenen national-kulturellen Ansprüchen der deutschen Minderheit zu beseitigen und eine beide Teile auf die Dauer befriedigende Lösung zu erreichen 31 .


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