IV. KAPITEL: Statistischer Überblick

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Die endgültigen Ergebnisse der ersten jugoslawischen Volkszählung am 31. Januar 1921 wiesen die Zahl von 505 790 Personen mit deutscher Muttersprache (4,22 Prozent der Gesamtbevölkerung) aus 1 . Die nächste Zählung am 31. März 1931 ermittelte nach den amtlichen Erhebungsunterlagen die Zahl von 499 969 Personen mit deutscher Muttersprache (3.59 Prozent) 2 .


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Den folgenden Berechnungen und Vergleichen wird diese Zahl für die Volksdeutschen in Jugoslawien zugrunde gelegt, wobei die Zahl der 10 026 deutschsprachigen Personen jüdischer Religion, die in den meisten vorliegenden statistischen Quellen nicht miteinbezogen ist, deshalb außer Ansatz bleiben muß 3 , so daß nach dem Stande vom 31. März 1931 von ca. 490 000 Volksdeutschen auszugehen ist.


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Um Vergleichswerte zu gewinnen, ist zunächst der statistische Stand am 1. September 1939 und am 31. Oktober 1944 auf Grund des natürlichen Geburtenzuwachses zu berechnen. Dafür liegen" nur die Zahlen der Geburten und Sterbefälle für die Zeit von 1932-1939 im Banat (ohne das Stadtgebiet von Pantschowa), in der Batschka, der Baranja und in Syrmien (ohne das Stadtgebiet von Semlin) vor 4 . In diesen Hauptsiedlungsgebieten der Deutschen ging der natürliche Geburtenzuwachs von 5,9 aT im Jahre 1932 auf 1,7 aT im Jahre 1939 zurück. Die durchschnittliche Zuwachsrate pro Jahr betrug während dieser Zeit 3,5 aT. Unter der Voraussetzung, daß der Geburtenüberschuß im Jahre 1931 für die Zeit nach der Volkszählung dem des Jahres 1932 entsprach, ist der Zuwachs in diesem Gebiet für die Zeit bis zum 1. September 1939 mit ca. 11 000 oder 3,26 Prozent anzusetzen. Wird dieser Prozentsatz auf die Gesamtzahl der Volksdeutschen von ca. 490 000 im März 1931 angewandt, so ergibt sich ein Anstieg durch natürlichen Zuwachs auf die Zahl von ca. 505 000 Personen.

Nun wurde aber für das Gebiet der Wojwodina (ohne Pantschowa und Semlin) nach dem Personenstand von Ende 1938 eine tatsächliche Zunahme

1957, S. 18: 620 000; N. Engelmann, Vertreibung, Flucht und Verfolgung. In: Die Donauschwaben zwischen gestern und heute, Wien 1957, S. 34, 141: 620230; G. Rhode, Das Deutschtum im Osten. In: Zeitschrift für Ostforschung, 2. Jg. 1953, S. 384: 750 000 geschätzt.


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von 8276 festgestellt, während der natürliche Zuwachs 10 557 betrug, so daß sich ein Wanderungsverlust von 2281 Personen ergibt 5 . Wenn der gesamte Verlust durch Auswanderung in den 30er Jahren mit 5000 angenommen werden kann, errechnet sich nach den bisherigen Ansätzen für den Stand am 1. September 1939 eine deutsche Bevölkerung von insgesamt ca. 500000 Personen 6 .

Da auch für die Gebiete der Wojwodina keine Angaben über die natürliche Bevölkerungsentwicklung in der Zeit bis Ende Oktober 1944 vorliegen, sollen für ihre Berechnung die bekannten Durchschnittswerte der Wojwodina aus dem Jahre 1939 zugrunde gelegt werden, und zwar für die Geburten 17,0 aT, für die Sterbefälle 15,24 aT. Bei den Geburten ist aber noch ein kriegsbedingter Rückgang abzuziehen, der mit 20 Prozent der Geburtenzahl von 1939 angenommen wird, so daß mit jährlich 13,6 aT oder 68 aT Geburten für den Zeitraum von 5 Jahren zu rechnen ist 7 . Demnach


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beträgt die Zahl der Volksdeutschen, die am 1. September 1939 in den Gebieten Banat, Batschka, Baranja und Syrmien ihren Wohnsitz hatten, einschließlich ihrer Nachkommen, die bis Oktober 1944 geboren wurden, rund 386000.

Diese Zahl wird durch die unter den gleichen Kriterien ausgezählten Ergebnisse umfangreicher Erhebungen der Stuttgarter "Heimatortskartei für die Deutschen aus Südosteuropa", die für die Mehrheit der Gemeinden dieser Gebiete zweifellos vollständig sind und insgesamt 383 548 Personen erfaßt haben, bestätigt 8 . Dagegen ergibt sich bei den übrigen Gebieten zwischen der Gesamtzahl von 163 561 Personen, die von der "Heimatortskartei" ermittelt wurde, und der Zahl von ca. 148 000 Personen, die jich nach den Ergebnissen der Sprachenerhebung von 1931 unter der Annahme gleicher Vermehrungsverhältnisse wie bei der natürlichen Bevölkerungsentwicklung der Wojwodina-Deutschen errechnet, eine Differenz von ca. 15 500. Sie kann nicht mit vielleicht zu niedrig angesetzten Geburtenziffern erklärt werden. Denn für die tatsächliche Stärke der deutschen Bevölkerung in Kroatien-Slawonien, Bosnien und vor allem Slowenien seit dem Ende der 30er Jahre und für ihre tatsächliche Zunahme waren nicht biologische, sondern ganz überwiegend soziale und politische Faktoren bestimmend 9 .


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In den weiteren Berechnungen wird daher für die Volksdeutschen, die hier am 1. September 1939 ihren Wohnsitz hatten, und ihre Nachkommen bis Ende 1944 die Zahl von rund 164 000 angenommen.


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Nach Abzug der natürlichen Sterbefälle 10 ergibt sich (ohne die Berücksichtigung der militärischen Kriegsverluste) eine Gesamtzahl von ca. 510 800 Jugoslawien-Deutschen im Oktober 1944 11 .

Als Soldaten und Angehörige bewaffneter Hilfsdienste gefallen, gestorben, in Gefangenschaft erschossen worden oder gestorben, vermißt oder verschollen sind nach den bisherigen Feststellungen (Stand Ende Mai 1961) 28 948 Männer 12 .

Demnach kann der statistisch errechnete Sollstand der deutschen Bevölkerung im Oktober 1944, der als Ausgangszahl für die Berechnung der Kriegsund Nachkriegsverluste der Zivilbevölkerung zu ermitteln war, mit 481 850 angenommen werden. Die Differenz zwischen dieser Ausgangszahl und den zum Vergleich verfügbaren und geeigneten Ergebnissen der verschiedenen Nachkriegs/ählungen, die noch auf einen einheitlichen Zeitpunkt hin (September 1950) zu beziehen und entsprechend zu bereinigen sind, ergibt dann als die Zahl der- statistisch ungeklärten Fälle die wahrscheinliche Größenordnung der tatsächlichen Zivilverluste.

Die Mehrheit der im Verlauf der Kriegs- und Nachkriegsereignisse durch Umsiedlung, Evakuierung, Flucht, Deportation, verhinderte Rückkehr und


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Abschub aus ihrer Heimat vertriebenen Jugoslawien-Deutschen lebt heute in Deutschland und Österreich; viele Tausende sind inzwischen nach Übersee ausgewandert.

Bei der Volkszählung in der Bundesrepublik Deutschland am 13. September 1950 wurden mit der Frage nach dem ehemaligen Wohnsitz und der Muttersprache 147 494 Deutsche aus Jugoslawien festgestellt; in Berlin (West) lebten 480 und im Saarland 38 Personen 13 . Die Ergebnisse der Zählung in Ostberlin und der sowjetischen Besatzungszone wurden nicht veröffentlicht; es kann aber mit ca. 15 000 Personen gerechnet werden 14 . Die Gesamtzahl der in die Bilanz aufzunehmenden Jugoslawien-Deutschen, die im September 1950 in Deutschland lebten, beträgt demnach 163 000.

Eine fast ebenso große Zahl vertriebener Volksdeutscher aus Jugoslawien befand sich zu dieser Zeit in Österreich. Bei den Volkszählungen wurden sie nicht gesondert erfaßt. Ihre Zahl läßt sich aber aus verschiedenen Angaben und Registrierungen verhältnismäßig genau ermitteln. Sie betrug in September 1950 ca. 150 000 15 . Wie viele Jugoslawien-Deutsche über


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Österreich und Deutschland in der Zeit von 1945 bis 1950 nach Übersee oder in andere westliche Länder ausgewandert sind, läßt sich nur schätzen.


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Es dürfte mit höchstens 15 000 zu rechnen sein 16 . Für die im September 1950 noch am Leben befindlichen Kriegsgefangenen und -vermißten, Straf-und Untersuehungsgefangenen, verschleppten und vermißten Zivilpersonen muß wohl eine Gesamtzahl von 3000-4000 veranschlagt werden 17 . Weiterhin ist anzunehmen, daß ca. 3000 Deutsche bei ihrer Flucht vor dem Anmarsch der Roten Armee Ende 1944, bei dem vergeblichen Versuch,


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nach Kriegsende in die Heimat zurückzukehren, oder nach der Flacht aus den jugoslawischen Internierungslagern in Ungarn und Rumänien, meistens wohl bei Verwandten, zurückgeblieben sind und dort noch im Jahre 1950 lebten 18 .

Als Ergebnis der ersten jugoslawischen Nachkriegszählung am 15. März 1948 wird die Gesamtzahl von 55 328 Deutschen ausgewiesen, die zweifellos nicht alle in Jugoslawien noch zurückgebliebenen oder zurückgehaltenen Volksdeutschen erfaßte 19 . Wird das Ergebnis der Volkszählung vom 31. März


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1953, die insgesamt ca. 62 000 Deutsche ergab 20 , einmal als annähernd richtig zugrunde gelegt, so ist für den Stand im September 1950 mit mindestens 75 000 noch in Jugoslawien lebenden Volksdeutschen zu rechnen 21 .

Nach dieser Zusammenstellung läßt sich für die 1950 am Leben befindlichen Jugoslawien-Deutscheu eine Gesamtzahl von 409 500 Personen feststellen. Die Differenz gegenüber der Ausgangszahl von 481 850 ergibt mit 72 350 ungeklärten Fällen die statistisch zu ermittelnde Größenordnung der Zivilverluste 22 .

Inzwischen liegen die Ergebnisse der von der "Heimatortskartei" gesammelten und ausgewerteten Erhebungen vor, die jede einzelne Person erfassen und für die Volksdeutschen aus Jugoslawien als vollständig angesehen werden können, so daß durch weitere Meldungen noch nicht erfaßter Personen keine wesentlichen Erhöhungen der Verlustzahlen zu erwarten sind. Danach haben in der Zeit vom Beginn des Einmarsches der Roten Armee und der Wiedererrichtung der jugoslawischen Verwaltung (Oktober 1944 bzw. Ende des Krieges) bis zur Auflösung der Internierungs- und Zwangsarbeitslager für Volksdeutsche (1948 in Jugoslawien, bzw. 1949 in der Sowjetunion) auf der Flucht, durch Gewaltakte unter der Militärverwaltung der Partisanen, in jugoslawischen oder sowjetischen Lagern und unter verschiedenen Zwangsmaßnahmen des jugoslawischen Nachkriegsregimes insgesamt 68 664 Volksdeutsche den Tod gefunden 23 . Die tatsächlichen


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Zivilverluste der Jugoslawien-Deutschen kann man daher auf ca. 69 000 beziffern.


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Durch den Krieg und die Nachkriegsereignisse sind demnach insgesamt 98 000 Personen (19.1 vH) der ehemaligen deutschen Volksgruppe in Jugoslawien ums Leben gekommen.


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